Eine kurze Geschichte von Faschismusvorwurf und Selbstviktimisierung

Eine leicht geänderte Fassung dieses Essays erschien in der Jungle World 06/2021 unter dem Titel »Wie Dreiunddreißig«.

Schlafwandler

Im Mai diesen Jahres sah sich die Stadt München veranlasst, das Tragen eines dem Judenstern nachempfundenen gelben Sternes auf Demonstrationen zu verbieten, weitere Städte folgten diesem Beispiel. Zuvor waren auf Fotos und Videoaufnahmen von sog. “Hygiene-Demos” und selbsterklärten “Corona-Rebellen” in Berlin, Stuttgart oder München, wie zuletzt auch auf den Demos der sog. „Querdenken-Bewegung“ mit mehreren zehntausend Teilnehmern in Berlin, immer wieder Personen zu sehen, die einen gelben Stern mit schwarzem Rand trugen, in der Mitte die Worte “Impfgegner” oder “ungeimpft”. Die mediale Aufmerksamkeit, die den kurzschlüssigen, aus dem gesamten politischen und esoterischen Spektrum zusammengewürfelten Demonstrationen zu Teil wurde, brachte auch diese Selbstgleichsetzung mit den Opfern der Shoah in den politischen Tagesdiskurs und löste ein entsprechendes Echo in der medialen Landschaft aus. Diese speziell bösartige Form der Selbstviktimisierung steht im Kern eines ganzen Bündels äußerst plumper Analogisierungen mit dem Nazismus; ob Christian Drosten auf Aufklebern neben Josef Mengele gestellt wird, ein Neonazi wie Sven Liebich in Halle mit dem Porträt von Anne Frank auf seinem T-Shirt die „Corona-Diktatur“ anklagt,1 Jana aus Kassel sich wir Sophie Scholl fühlt2 oder der „Arzt für Aufklärung“ Heiko Schöning behauptet „viele würden an die Dreißiger Jahre erinnert,“3 stets inszenieren sich die Coronakritiker als die gerechten, weil unschuldigen Opfer eines totalitären Regimes, das sie zu unterdrücken, zu kontrollieren und – obwohl extrem beileibe keine Außenseiterposition – auszumerzen versucht. Faschismus- bzw. Nazismusvorwürfe gegen politische Gegner sind bekanntermaßen kein Novum, der Fall liegt hier jedoch ein wenig anders. Aus der permanenten Wiederholung derartiger Opferinszenierungen und damit verbundener politischer Feindbestimmungen, gepaart mit tatsächlichen Vernichtungsmythen4 bildet sich ein Framing der aktuellen politischen Situation, das zumindest von einem Teil der Akteure nicht nur in seiner vollen Drastik geglaubt sondern über die persönlichen Einschränkungen durch Maßnahmen gegen die Pandemie im Alltag direkt empfunden und erlebt wird.

Offenbar ungeimpft

Dem Judenstern kommt dabei eine herausragende Symbolfunktion zu für den Gesamtkomplex Holocaust. Er verbindet die Juden als Opfer mit den Nazis als Tätern und Auschwitz als dem exemplarischen historischen Ort, in dem sich das Täter-Opfer-Verhältnis in der Vernichtung der Opfer durch die Täter manifestiert und vollzieht, in einem Zusammenhang gegenseitigen Aufeinander-Verweisens, in dem jede Position sowohl Zeichen wie Bezeichnetes ist. Durch Enthistorisierung und Universalisierung können aus konkreten, historischen Opfern und Tätern Selbst- und Fremdstereotype werden, auf gänzlich andere historische Lagen anwendbare Schablonen von (jüdischen) Universal-Opfern und (nazistischen) Universal-Tätern, aus deren Beziehung aber das konkrete Verbrechen der Judenvernichtung nie ganz ausgeblendet werden kann; damit der Verweiszusammenhang funktioniert, müssen alle drei Positionen besetzt sein. Wie dieses Framing funktioniert und welche Gefahr in ihm steckt wird sichtbar bei der Betrachtung zweier sehr ähnlicher Diskursstrategien: Der Selbstinszenierung der AfD als Partei des Widerstands sowie des Faschismusdiskurses der studentischen Linken Ende der 1960er Jahre und dem sich aus der Außerparlamentarischen Opposition (APO) entwickelnden linken Terrorismus.

“Tragt wieder den Stern” – die Alternative für Deutschland

Im Mai 2014, knapp anderthalb Jahre nach ihrer Gründung, sorgte die AfD erstmals mit einem selbstverliehenen Stern für Schlagzeilen:

“Macht es den AntiFa-Faschisten [sic!], der Tazi [sic!], NS-Zeit Presse[sic!] , den grünen Kifferkindsoldaten [sic!] einfach euch in der Menge zu erkennen !! [sic!] Tragt wieder den Stern,”

Und wieder das Zitat von Silone…
“Der Judenstern von 2018 wird […] der AfD- und Sachsenstern sein.”

schrieb Bernd Jacks, damals stellvertretender Vorsitzender der AfD im Kreis Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) auf Facebook – illustriert mit einem blauen Stern, beschriftet mit “AfD”.5 Bernd Lucke, damals noch Parteivorsitzender, distanzierte sich ausdrücklich, die Vorsitzenden der Kreisverbände von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen (dort war Parteisprecher Marco Trauten mit einem Vergleich zwischen Antifaschisten und der NSDAP aufgefallen) entschuldigten sich ausdrücklich im Namen ihrer Partei bei Dieter Graumann, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden. Um solche Eskapaden künftig zu vermeiden kündigte die Parteiführung Schulungsmaßnahmen an, in denen darüber aufgeklärt werden sollte, “dass keine Vergleiche mit dem jüdischen Leid im 3. Reich in irgendeiner Form zu ziehen sind.”6 Knapp ein Jahr später stellte der Krefelder Kreisverband der AfD die Frage, ob AfD-Mitglieder wohl bald einen “blauen Stern” tragen müssten.7 Der Bezirksverband Oberbayern fantasierte im September 2018 einen “AfD- und Sachsenstern”8 herbei, 2019 postete Hadjimohamadvali Laleh, Fraktionsgeschäftsführerin des AfD-Kreisverbands Saarbrücken-Stadt, auf Facebook gleich vier Sterne, beschriftet mit “nicht geimpft”, “AfD-Wähler”, “SUV-Fahrer” und “islamophob.”9 Und noch in diesem Jahr sorgte die bayrische Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner für einen zwischen den Coronanachrichten kaum mehr wahrnehmbaren Eklat, hatte sie sich doch in ihrer Heimat Deggendorf ausgerechnet mit einem der sterntragenden Corona-Kritiker, vermutlich ebenfalls Mitglied der Partei, ablichten lassen.10

Anhänger und Sympathisanten indes stehen Funktionsträgern der Partei in Nichts nach:

“Wie kann man nur eine Gruppe kenntlich machen und zur Abschlachtung freigeben?” fragt z.B. Volker Kleinophorst auf journalistenwatch.com, “denn es steht doch den AfD-Wählern nicht auf die Stirn geschrieben, was sie wählen. Ein Blick in die Vergangenheit hilft. Einen Judenstern für jeden AfD Wähler.”11

Der bereits angesprochene Sven Liebich führt in seinem Onlineshop Sticker und Buttons mit dem blauen Stern, diesmal beschriftet mit “AfD Sympathisant,” nebst gelben Varianten für “Dieselfahrer” und “Sachsen”12 (prompt verlinkt vom AfD Ortsverband Nürtingen: “Wann wird es wieder so weit sein das [sic!] denkende Menschen eine Markierung tragen müssen…”13). Ob die Produkte Absatz finden ist nicht bekannt; zumindest der Dieselfahrer-Stern sorgte 2019 auf einer Demo in Stuttgart für Aufsehen,14 und die Produktabbildungen aus dem Shop finden sich immer mal wieder auf Facebook und Twitter, um einschlägige Kommentare zu illustrieren. Auch wenn solche Äußerungen meist von Funktionären auf Kreis- oder Bezirksebene und natürlich von Anhängern in sozialen Medien, nicht aber vom Spitzenpersonal der Bundespartei getätigt werden, handelt es sich keineswegs nur um besonders geschmacklose “Ausrutscher” übereifriger, aber minder bedeutsamer Funktionäre, sondern um einen besonders plakativen Ausdruck eines dem Selbst- und Feindbild der Partei inhärenten und höchst funktionalen Narratives, das in mehr oder weniger subtiler Form auf allen Ebenen, von Parteispitzen, Mitgliedern und Anhängern erzeugt und reproduziert wird

Am 20. Juli 2017, dem 73. Jubiläum des Stauffenberg-Attentats, veröffentlichte Beatrix von Storch eine kurze Rede. In dieser fügt sie die AfD implizit in die Kontinuitätslinie einer “deutschen Freiheitstradition” ein, zu der nicht nur das gescheiterte Attentat, sondern auch “die liberale Revolution von 1848, den Arbeiteraufstand in der DDR von 1953 und die freiheitliche Revolution von 1989” gehören. In dieser Freiheitstradition und nur dem “Gewissen verpflichtet,” sei zwar der “Versuch, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu beseitigen gescheitert,” dennoch leitet von Storch daraus einen historischen Auftrag ab:

“Niemals wieder dürfen in Deutschland Gewalt und Terror über Demokratie und Freiheit triumphieren. Niemals wieder dürfen in Deutschland Meinungsfreiheit und Bürgerrechte unterdrückt werden. Niemals wieder dürfen wir blind einer politischen Führung folgen und den Staat über unser Gewissen stellen.”15

Auffällig sind die Leerstellen: Unter den Verbrechen des NS bleiben Judenvernichtung und Weltkrieg ungenannt. Von Storchs “deutsche Freiheitstradition” steht für “Demokratie, Meinungsfreiheit und Bürgerrechte”, und damit gegen eine Gewaltherrschaft, deren Opfer, im Nationalsozialismus wie im SED-Regime, vor allem die Deutschen selbst gewesen sein sollen.16 Indem sie schließlich in die Wir-Form wechselt, fordert von Storch ihr Publikum dazu auf, sich mit ihr in diese “Freiheitstradition” einzureihen:

“Wir können aus unserer Geschichte lernen, dass wir den Mut haben müssen, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen. Dass wir uns vom Geist der Freiheit leiten lassen und nicht von der Anbetung der Macht. Dass wir freie Bürger sein sollen und keine willfährigen Untertanen.”17

Geschichtsvergessen.
Hier darf sich jeder verfolgt fühlen

Was hier geradezu betont subtil angedeutet wird, dass nämlich die AfD eine Partei des Widerstands sei gegen Unterdrückung und Unfreiheit, wird durch Repetition in verschiedenen Kontexten ergänzt und ausgestaltet. Die dabei hervortretende Feindbestimmung: Ein drohendes oder bereits realisiertes “totalitär-linksfaschistisches” Regime, in dem Angela Merkel die zentrale Führungsposition in einem weitgehend homogenen Machtblock der sog. “Altparteien” einnimmt, von wo aus jede ernstzunehmende Opposition – und als solche versteht die AfD weitgehend nur sich selbst – mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterdrückt wird. Entsprechend werden militante und weniger militante Antifaschisten nicht nur regelmäßig mit der SA analogisiert, es wird auch mit Bezeichnungen wie “Merkels Schergen” oder “Merkeljugend”18 ein gezielt gegen die AfD gerichtetes Handeln im Regierungsauftrag unterstellt, ergänzt durch die Behauptung, “die” Antifa werde durch staatliche Mittel finanziert: “Gleich drei Parteien im Bundestag nehmen es billigend in Kauf, dass der politische Gegner permanent terrorisiert wird. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, dass die Finanzierung der Terrorstrukturen durch Steuergelder weder Zufall, noch eine Zweckentfremdung gegenüber der eigentlichen Intention ist,” schreibt beispielsweise Björn Höcke in einem Facebook-Post aus Anlass des gescheiterten Antrags der AfD auf Prüfung eines Antifa-Verbots.19 Der Presse wiederum wird nicht nur Einseitigkeit, sondern oft genug gleich Manipulation, bewusste Lüge und gezielte Auslassung vorgeworfen, wobei auch hier mal mehr, mal weniger deutlich eine Steuerung durch die Bundesregierung unterstellt wird. Und seit der Verfassungsschutz Teile der Partei unter Beobachtung stellte, gilt auch diese Behörde als politisches Instrument des Machterhalts. Produziert und reproduziert wird so das Bild der Bundesrepublik als einer linken Weltanschauungsdiktatur mit gleichgeschalteter Presse, ideologisch durchdrungener Zivilgesellschaft und paramilitärischen “Sturmabteilungen”, die ihre politischen Gegner gezielt unterdrückt, verleumdet und terrorisiert, oder, wie in abgeschwächter Form im Grundsatzprogramm der Partei zu lesen ist: „Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien. Es handelt sich um ein politisches Kartell, das die Schalthebel der staatlichen Macht, die gesamte politische Bildung und große Teile der Versorgung der Bevölkerung mit politischen Informationen in Händen hat.“ Diese abstrakte und den tatsächlichen Verhältnissen und Lebenserfahrungen nicht entsprechende große Erzählung wird durch die beständige (und oft instrumentell-hysterische) Skandalisierung tatsächlicher Ausschluss-, Repressions- und Gewaltereignisse an den lebensweltlichen Erfahrungsbereich rückgebunden, so dass die vermeintliche “linksfaschistische” Durchdringung der Gesellschaft als individuell-existentielle Bedrohung erfahrbar wird. Die AfD ist nicht nur die Partei, deren Büros mit Abstand am häufigsten angegriffen werden, sie besitzt auch eine Erzählung von sich und ihren politischen Gegnern, die ihr erlaubt, daraus politischen Nutzen zu ziehen. In den Kommentarspalten der diversen AfD-Facebookseiten jedenfalls wird diese Botschaft klar verstanden: “Ob vielleicht wieder ein Staufenberg [sic!] bereits die Zeit erkannt und sich um die Führerin das [sic!] Rautenregimes Gedanken macht, man weiß es nicht.”20

Die Raute ist das neue Hakenkreuz

Die Bundesrepublik als eine Wiederaufführung des Nazismus mit neuen Akteuren darstellen zu können ist nur möglich um den Preis der weitgehenden Ausblendung der tatsächlichen Verbrechen und Opfer des Nazismus – eine unsägliche Trivialisierung, die die “Hitlerei” (Alexander Gauland) auf die Aufhebung der Meinungsfreiheit und Bürgerrechte der Deutschen verkürzt. Die Deutschen sind in der Vorstellungswelt der Neuen Rechten aber nicht nur Opfer des Nazismus, sondern auch Opfer von Auschwitz, das eine bruchlose Identifikation mit der eigenen Geschichte verhindert – ein zentrales Motiv aus dem Arsenal des sekundären Antisemitismus. Diese Trivialisierung des Nationalsozialismus, die eine Vorbedingung dafür ist, dass sich die AfD in die Rolle des Opfers und Widerstandskämpfers gegen sein Wiederaufleben unter anderem Vorzeichen einschreiben kann, ist fester Teil der geschichtspolitischen Strategie der Partei, die in ihrem Programm fordert,

“die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiv identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.”21

“Langhaarige Ersatzjuden” – Neue Linke und Studentenbewegung

Die Geschwister Scholl wären heute – ginge es nach Frank – neonazistische Mörder

Diese Erzählung ist jedoch kein genuines Produkt der Neuen Rechten, sondern trat bereits weit früher in der bundesdeutschen Geschichte in Erscheinung – als zentraler Bestandteil der politischen Stereotypisierung der Neuen Linken in den sechziger und siebziger Jahren. Ihre Spur bis hier nachzuvollziehen erlaubt auch, das ihr innewohnende Gefahrenpotential klarer zu erkennen. Für Teile der Neuen Linken, vor allem für Akteure der im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) dominanten antiautoritären Linken, verbanden sich generationelle Konfliktlagen, eine ernsthafte Sorge um die Beständigkeit der zweiten deutschen Demokratie und ein um den leninschen Imperialismusbegriff kristallisierendes Denken mit spezifischen Schlüsselereignissen zu Fremd- und Autostereotypen, die mit den für die AfD geschilderten signifikante Gemeinsamkeiten aufweisen. Die angesichts der personalen Kontinuität zwischen den Funktionseliten des Dritten Reichs und der Bundesrepublik durchaus nachvollziehbare “Wiederholungphobie,” die Christian Schneider der zweiten Nachkriegsgeneration attestiert,22 und die durch die politische Entwicklung der Bonner Republik (Wiederbewaffnung, Spiegel-Affäre, Stationierung von Atomwaffen, Große Koalition und Notstandsgesetze) immer wieder aktualisiert wurde, verband sich mit eigenen Erfahrungen staatlicher Gewalt und Repression. Hier waren vor allem die Erschießung Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 sowie der Mordanschlag auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 Schlüsselereignisse.

In der positiven Bezugnahme auf die “nationalen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt” entwickelte sich ein Verständnis globaler politischer Zusammenhänge in imperialismustheoretischen Kategorien marxistisch-leninistischer Prägung, das durch den US-amerikanischen Krieg in Vietnam ebenso bestätigt zu werden schien wie durch den Sechstagekrieg, nach dem große Teile der Neuen Linken ihre bis dahin israelfreundliche Haltung aufgaben und sich zum Antizionismus bekannten.23 Der Nazismus ging innerhalb dieser Theoriebildung in einem generischen und oft plump ökonomistischen Faschismusbegriff auf, verstanden lediglich als offene, d.h. bellizistische und gewalttätige Form bürgerlicher Klassendiktatur, in deren historischer Konkretisierung zwischen 1933 und 1945 der Holocaust wenig mehr als akzidentiellen Charakter hatte. In ihrer Ausweitung und Radikalisierung autostereotypisierten sich zentrale Teile der Studentenbewegung dabei zunehmend im Widerstand gegen einen “prä”-, “neo”- oder “proto-faschistischen” Staat, dessen Umschlag in ein offen faschistisches Regime bei weiterer Verschärfung der innenpolitischen Lage aus ihrer Sicht erwartbar war. Grundlage hierfür bildete eine semantische Strategie der Universalisierung, Abstraktion und Enthistorisierung des historisch-konkreten Nazismus, komplementär zu einer Universalisierung, Abstraktion und Enthistorisierung seiner historisch-konkreten Opfer zu einer Art Universaljude – dem unschuldigen Opfer von Gewaltherrschaft schlechthin.

Der Judenstern diente der Markierung der Juden in der Öffentlichkeit. Ein “öffentlich unsichtbarer” Judenstern ist keiner.

In “Vom Antisemitismus zum Antikommunismus” beschreibt Dutschke das “postfaschistische” Deutschland als spätkapitalistischen Staat und damit faschistisches Regime in Latenzform, dessen gewalttätiger Charakter nur so lange nicht zum Ausbruch komme, so lange man sich den Luxus innen- und außenpolitischer Friedfertigkeit leisten könne. Dass der Holocaust für Dutschke nicht einen für die Wesensbestimmung des Nazismus zentralen Charakter hatte, zeigt sich schon daran, dass er das zugrunde liegende Motiv – den Antisemitismus – für ein austauschbares Ressentiment hält, der in der Bonner Republik “im wesentlichen ungebrochen in Antikommunismus transformiert” worden sei und sich aktuell an den rebellierenden Studenten ausagiere.

“Der heutige Faschismus”, so Dutschke, “ist nicht mehr manifestiert in einer Partei oder in einer Person. Er liegt im bestehenden System der Institutionen. So kann dieser Faschismus im Unterschied zu dem der zwanziger und dreißiger Jahre auch keine aktive Massenbasis – wenn auch in manipulierter Form – hervorbringen.”24

Ganz ähnlich äußert sich auch Ekkehart Krippendorf in einer Replik an Jürgen Habermas:

“Da die bisherigen Ergebnisse der Faschismus-Analyse ergeben, dass Faschismus sich auch in anderen Formen als denen des Dritten Reiches mit Schlägerkolonnen und KZ’s einstellen kann – oder anders gesagt: dass die gegenwärtige spätkapitalistische Gesellschaft jener kruden Formen der Repression noch nicht oder nicht mehr zu ihrer Selbsterhaltung und zur Unterdrückung ihrer inneren Widersprüche bedarf – ist es politisch legitim, bereits dort von Faschismus zu sprechen, wo Habermas noch nur »die Abwehrreaktionen eines Staates, der durch Normen noch gehalten ist«, sehen zu können glaubt.”25

Als zentrales Gegenmotiv zu den Demokratisierungsforderungen der Studentenbewegung entsteht, so Heidrun Kämper über den Faschismusdiskurs der 1960er Jahre,

„die Konstruktion des autoritären, spätkapitalistischen, post-faschistischen Staats des demokratischen Notstands, mit Terror und Gewalt als repressiven Instrumenten, einer manipulativen Presse und einem bürokratischen Apparat.“26

Es ist zweifellos richtig, dass der generische Faschismusbegriff eine äußerst inhomogene Familie politischer Bewegungen, Parteien und Systeme bezeichnen kann. Zwischen den beiden faschistischen Parteien, die sich über ihre Bewegungsphase hinaus entwickeln konnten – die NSDAP und die italienische Partito Nazionale Fascista – bestehen ebenso signifikante Unterschiede wie zwischen den von ihnen etablierten Regimen, und das Bild trübt sich noch weiter ein, wenn die zahlreichen Bewegungen hinzugenommen werden, die nie eine Massenbasis erreichten oder deren Zuordnung, wie beim späteren Franquismus, umstritten ist. Dazu kommen die Transformationen, die (neo-)faschistische Ideologien als Reaktion auf die militärische Niederlage und das damit einhergehende Ende der “faschistischen Epoche” erfuhren. Krippendorfs “gesellschafts-funktionale Analyse” des Faschismus jedoch entgrenzt den Begriff auf eine reine Funktion kapitalistischer Systemerhaltung. Diese Diskursstrategie der Enthistorisierung und Universalisierung etabliert “Faschismus” so vorrangig als politischen Kampfbegriff. Der verliert trotzdem nicht den impliziten Bezug auf den Nazismus und Holocaust, wie sich vor allem an dem Autostereotyp der Studentenbewegung als “Neue Juden” oder “Ersatzjuden”27 zeigt. Dieses wird nicht nur durch die entsprechende Selbstbezeichnung, sondern auch in begleitenden Lexemen wie “Pogrom”, “Ausmerzung”, “Verfolgung” usw.28 konstruiert, über die die tatsächlichen Ausgrenzungs-, Gewalt- und Repressionserfahrungen der Studenten den abstrakten Faschismusdiskurs stützten und – in einer bei Dutschke beliebten Formel – “sinnlich-manifest” erfahrbar machten. Dabei ist die Bezugnahme auf den Holocaust, die sich hier in der Inanspruchnahme der Opferposition andeutet, weit weniger einem Interesse an der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit als der Selbstlegitimierung und politischen Mobilisierung in einem sich verschärfenden Gewaltverhältnis zwischen Studentenbewegung und Staatsmacht geschuldet.29 In diesen Zusammenhang gehört auch, dass die als potentielles revolutionäres Subjekt umgarnten Arbeiter aus dem Schuldzusammenhang des Holocausts weitgehend ausgeschieden wurden – das deutsche Proletariat galt ebenso als Opfer der NS-Herrschaft wie die europäischen Juden und die Bevölkerung der besetzten Länder.

“Unsere Isolation jetzt und das Konzentrationslager demnächst” – die Rote Armee Fraktion

Uwe Junge lässt nichts aus

Während nach dem Zerfall der APO nach 1968 die meisten Protagonisten ihren Weg in Institutionen, Ämter, Lehrstühle und Subkultur antraten – und darüber Elemente ihres Faschismusdiskurses in die nationale Erinnerungskultur einbrachten – entstanden als Zerfallsprodukte auch zahlreiche Kleingruppen, die als Konsequenz aus dem Scheitern der APO Konzepte des bewaffneten Kampfes entwickelten und umsetzten. Dabei beriefen sich die Protagonisten des linken Terrorismus zur Legitimation und Mobilisierung auf eine Zuspitzung des in der Studentenbewegung entwickelten Faschisierungsnarratives. In den Selbstzeugnissen der RAF etwa finden sich alle Elemente dieser Diskursformation in äußerster Schärfe wieder: Die Enthistorisierung und Trivialisierung des Holocaust, die Abstraktion vom konkreten Nazismus zu einem plump-ökonomistischen Faschismusbegriff (der spätestens in den 70er Jahren für die historische Forschung weitgehend verbrannt war30), die Anwendung desselben auf die Bonner Republik, die Selbsteinschreibung in die universalisierte Opferposition der Juden, schließlich ergänzt um die persönlichen Vernichtungsphantasien der in Stammheim inhaftierten Gründergeneration. So erklärt die im Mai 1971 verbreitete RAF-Flugschrift “Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa” den Faschismus zu einem bloßen Instrument des Machterhalts der bürgerlichen Klasse in Situationen des zugespitzten Klassenkampfs, einer unerwünschten, aber notwendigen “Notbremse”: “Der Faschismus ist ein großes Übel, das größte aller kapitalistischen Übel.”31 Auschwitz hingegen wird zu einem, wenn auch prototypischen “Massaker” in einer langen Liste kapitalistischer Verbrechen reduziert:

“Auschwitz, Sétif, Vietnam, Indonesien, Amman stehen für die Erfahrung, dass Massaker nach wie vor zum Instrumentarium der Herrschenden gehören. Wo immer der Kapitalismus noch über reale Macht verfügt, wird er sie zur Verlängerung seiner Existenz einsetzen.”32

Das Proletariat in Deutschland hingegen sei “dem Faschismus wehrlos in die Hände gefallen.”33

Wie austauschbar die Täter-Opfer-Zuschreibungen dieses generischen Faschismus sind zeigt sich in der Erklärung der RAF im November 1972 angesichts des Münchner Olympia-Attentats, bei dem elf israelische Sportler nach einer Geiselnahme durch ein palästinensisches Terrorkommando getötet wurden:

“Die Aktion des Schwarzen September war antifaschistisch. Sie hat den Zusammenhang zwischen dem alten NS-Faschismus und dem entfalteten Imperialismus als dem erst durch und durch faschistischen System hergestellt. Der Nationalsozialismus war nur die politische und militärische Vorwegnahme des imperialistischen Systems der multinationalen Konzerne.”34

Mit der Unterdrückung der Palästinenser wurde Israel den Verfassern zufolge als “imperialistisches System” selbst zum faschistischen Staat: “Es hat seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden – Brennmaterial für die imperialistische Ausrottungspolitik.”35 In den verschärften Haftbedingungen der RAF-Gefangenen schließlich manifestierte sich für diese der Vernichtungswille des Systems, der sich exemplarisch an ihnen vollzog:

“Unsere Isolation jetzt und das Konzentrationslager demnächst kommt raus auf: Vernichtungslager – Reformtreblinka – Reformbuchenwald – die ‘Endlösung’. So sieht’s aus.”36

Dabei inszenierten sich die Gefangenen der RAF als Opfer einer vermeintlichen “Vernichtungshaft” und schufen so einen Mythos, der, mit begrenztem Erfolg, die Fortführung des bewaffneten Kampfes ermöglichen sollte.37 Die Selbstviktimisierung als Juden, die zunächst Akteure der APO und später der selbst erklärten Stadtguerilla praktizierten, fungierten stets auch als Mittel der Gewaltlegitimation. Die Einschreibung in die Position des unschuldigen Universalopfers ging – bei Dutschke wie in den Erklärungen der RAF – mit einer Aufforderung zur Intensivierung des Widerstands und einer Verschärfung der Gewaltdebatte einher.

Aufkleber aus dem Shop des Neonazis Sven Liebich
Profilbild auf Twitter

Das heißt nicht, dass die Neue Rechte habe diese Diskursstrategien der studentischen Linken bruchlos übernommen hätte. Zuallererst fehlt in der neurechten Variation des Themas der antikapitalistische Aspekt vollständig. Und schließlich verbleibt die studentische Linke in ihren Analogisierungen zumeist doch in einer gewissen Ambivalenz, die sich erst in den terroristischen Kleingruppen der Stadtguerilla verliert, zugleich mit den in der antiautoritären Studentenschaft noch stets vorhandenen Vorbehalten gegenüber politischer Gewalt, die auch bei Dutschke deutlich werden. Daneben gab es bereits früh Versuche rechter Vordenker, an der historischen Bruchstelle des Nationalsozialismus vorbei national-konservative und neo-faschistische Vorläuferpositionen anschlussfähig zu machen, etwa Armin Mohlers Versuch, die nationalistische Avantgarde der “Konservativen Revolution” zu rehabilitieren. Oder die Versuche, den Nazismus mit einer totalitarismustheoretischen Klammer dem Phänomenbereich des Bolschewismus zuzuordnen. Darüber hinaus sind Enthistorisierung und Universalisierung allgemeine Trends nicht nur innerhalb der deutschen, sondern auch Prozesse, die mit einer Internationalisierung des Holocaustgedenkens in einer stärker globalisierten Erinnerungskultur einhergehen.38 Bei der AfD wird darüber hinaus die geschilderte, auf den Nazismus bezogene Erzählung von einer komplementären überlagert, die auf Basis einer Analogisierung der Bundesrepublik mit der DDR konstruiert wird. Sie ist, da der implizite Bezug auf den Holocaust fehlt, offenbar stärker anschlussfähig und bringt darüber hinaus einen expliziten Antikommunismus ins Spiel. Dabei scheint der DDR-Bezug, als “Wende 2.0” verschlagwortet, vor allem in Ostdeutschland zu verfangen, während die oben genannten Beispiele fast vollständig aus westdeutschen Wahlkreisen stammen.

Das terroristische Potential der Selbstviktimisierung

Der Termin kann verschoben werden, die Dringlichkeit bleibt.

Trotz dieser Einschränkungen sind die Parallelen jedoch nicht zu übersehen: Faschismusvorwurf und Selbstviktimisierung, Fremd- und Autostereotyp festigen in allen drei Fällen die Eigengruppe und setzen sie in das Verhältnis der Feindschaft zum politischen Gegner. Spätestens wenn die in der Analogisierung mit dem Nazismus stets implizite Chiffre Auschwitz besetzt wird, kann dieses Framing mit Susan Benesch als gefährliche Sprache bezeichnet werden, die “das Risiko erhöht, dass die Zielgruppe Gewalt gegen Mitglieder einer anderen Gruppe billigt oder sogar sich daran beteiligt.”39 Dies geschieht, in dem eine Bedrohungssituation beschworen wird, die Gewaltanwendung nicht nur gerechtfertigt, sondern geboten erscheinen lässt. Die eigene Gewalt erscheint dann als eine Form vorbeugender Notwehr, die der Ausführung einer unterstellten Gewaltabsicht durch den Gegner zuvorkommen soll – ein als Accusation in a Mirror bezeichnetes Kennzeichen gefährlicher Sprache.40 Der Effekt verstärkt sich noch, wenn eine Rückbindung an das Alltagserleben die zumeist weitgehend abstrakten Vernichtungsszenarien vermeintlich persönlich und emotional erfahrbar macht und so zusätzlich plausibilisiert.41 Der Maskenzwang im Supermarkt verweist dann ebenso auf die apokalyptischen Bürgerkriegsszenarien, die derzeit in zahlreichen Telegram-Gruppen heraufbeschworen werden, wie der Farbbeutelanschlag auf ein Parteibüro auf das angebliche Ziel des “Linksfaschismus”, die Zerstörung der kulturellen Identität der Deutschen durch Propaganda und Massenzuwanderung. Und: Die so wahrgenommene Repression intensiviert das Beharren auf der eigenen Wahrnehmung. Im Gegensatz zum realen Judenstern passiviert der fiktive nicht seine Träger – er aktiviert und mobilisiert sie. Dabei ist weitgehend egal, ob das Narrativ in manipulativer Absicht gestreut, tatsächlich geglaubt oder nur nachgeplappert wird – entscheidend ist seine ständige Reproduktion und damit die regelmäßige Aktualisierung des Bedrohungsempfindens, aus der sich stochastischer Terrorismus – das gewalttätige Ausagieren einer spontanen Selbstradikalisierung in sozialen Medien – ebenso speisen kann wie klassische Formen politischer Gewaltausübung in Zellen, Kommandos und Netzwerken. Dabei ist zu vermuten, dass diese Narrative ihr tatsächliches Gefahrenpotential, wie am Beispiel der APO ersichtlich, erst im Zerfall der sie tragenden sozialen Bewegungen entfalten – aktuell sowohl für die AfD als auch für die Querdenken-Bewegung (und zwischen beiden besteht eine große Schnittmenge) ein mögliches Szenario. Schon nach der Querdenken-Demo am 29. August in Berlin, die im Vorfeld zum „Tag der Entscheidung“ aufgebauscht worden war, hatte sich in einschlägigen Telegram-Gruppen Ernüchterung breit gemacht – gepaart mit Frustration über die Unwirksamkeit symbolischer Protestformen und Aufrufen zur Bildung von Widerstandszellen und Bürgerwehren. Mit der Intensivierung des Infektionsgeschehens und einer Rückkehr zu restriktiveren Eindämmungsmaßnahmen ist die Ausbildung terroristischer Formen ein plausibles Szenario.

  1. „Mit Judenstern gegen Corona-Maßnahmen“, zugegriffen 24. Oktober 2020, https://www.zdf.de/uri/203483ea-d5de-4e0e-918c-ffc929f03da7.
  2. SWR2, „Jana aus Kassel fühlt sich wie Sophie Scholl: ‚Querdenken‘-Rednerin sorgt für Entsetzen“, swr.online, zugegriffen 24. Dezember 2020, https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/gefahr-fuer-die-demokratie-jana-aus-kassel-fuehlt-sich-wie-sophie-scholl-100.html.
  3. Jüdisches Forum, Tausende Coronaleugner:innen protestierten in Berlin am 25.10.2020 gegen den Weltgesundheitsgipfel, 2020, https://www.youtube.com/watch?v=uWKjTwxMDN8.
  4. Nur einige Beispiele: Der wegen der Weigerung eine Maske zu tragen beurlaubte und daher in Querdenkerkreisen als Held gefeierte Busfahrer Thomas Brauner hielt auf einer Demonstration in Darmstadt eine Rede, in der er nicht nur den bekannten, um Bill Gates zentrierten Verschwörungsmythos reproduzierte, demzufolge mit der Impfung gegen Corona ein Mikrochip in den Körper des Impflings eingebracht werden soll, sondern behauptete auch, es sei ein „globales Konzentrationslager“ in Entstehung. „‚Globales Konzentrationslager‘: Radikale Thesen auf Querdenken-Demo in Darmstadt am 31.10.2020“, JFDA (blog), 6. November 2020, https://jfda.de/blog/2020/11/06/globales-konzentrationslager-radikale-thesen-auf-querdenken-demo-in-darmstadt-am-31-10-2020/. Vor der Demo in Berlin am 29. August machte in einschlägigen Telegram-Gruppen das Gerücht die Runde, der „Deep State“ plane einen Anschlag auf das AKW Brokdorf. „Das ausgefallene ‚deutsche 9/11‘ im AKW Brokdorf“, Mimikama (blog), 15. September 2020, https://www.mimikama.at/aktuelles/9-11-akw-brokdorf/. Weitere Beispiele finden sich in der Bebilderung dieses Beitrags.
  5. Günther Lachmann, „Europawahl: AfD bittet um Verzeihung für Juden-Vergleich“, DIE WELT, 9. Mai 2014, https://www.welt.de/politik/deutschland/article127789143/AfD-bittet-um-Verzeihung-fuer-Juden-Vergleich.html.
  6. Lachmann; Martin Krauss, „AfD muss sich entschuldigen“, Jüdische Allgemeine, 5. Mai 2014, https://www.juedische-allgemeine.de/politik/afd-muss-sich-entschuldigen/.
  7. Süddeutsche Zeitung, „AfD-Kreisverband vergleicht sich mit Juden in NS-Zeit“, Süddeutsche.de, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.sueddeutsche.de/politik/rechte-partei-afd-kreisverband-vergleicht-sich-mit-juden-im-dritten-reich-1.2907910; RP ONLINE, „Krefeld: AfD vergleicht eigene Lage mit Judenverfolgung“, RP ONLINE, 15. März 2016, https://rp-online.de/nrw/staedte/krefeld/afd-vergleicht-eigene-lage-mit-judenverfolgung_aid-18470277.
  8. AfD Oberbayern, „Facebookbeitrag vom 12. September 2018“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/AfDObb/posts/1116358865179015.
  9. GenFM, „Facebookbeitrag vom 24. Oktober 2019“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/GenFM/posts/3112511018765645/; DieInsider, „Facebookbeitrag vom 23. Oktober 2019“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/dieinsider/photos/a.437769883441493/498272600724554/?type=1&theater.
  10. Frederik Schindler, „AfD: Fraktionschefin posiert auf Foto neben Mann mit ‚Judenstern‘-T-Shirt“, DIE WELT, 5. Juni 2020, https://www.welt.de/politik/deutschland/article209001277/AfD-Fraktionschefin-posiert-auf-Foto-neben-Mann-mit-Judenstern-T-Shirt.html. Fotos, die der Antifaschistische Infoticker für Passau & Umgebung auf Facebook veröffentlichte, lassen vermuten, dass dieser selbst Mitglied der AfD in Deggendorf ist. Siehe Antifaschistischer Infoticker für Passau & Umgebung, „Facebookbeitrag vom 18. Juni 2020“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/697745430322008/photos/a.698013760295175/3037233376373190/?type=3&theater.
  11. Volker Kleinophorst, „Ein ‚Judenstern‘ für jeden AfD-Wähler?“, jouwatch, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://web.archive.org/web/20190303010709/https://www.journalistenwatch.com/2017/10/06/ein-judenstern-fuer-jeden-afd-waehler/.
  12. politaufkleber, „AfD-Sympathisant – Autoaufkleber Sticker“, Politaufkleber (blog), zugegriffen 8. Dezember 2020, https://politaufkleber.de/produkt/afd-sympathisant-autoaufkleber-sticker/; „Button Anstecker – AfD Sympathisant | Politaufkleber“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://politaufkleber.de/produkt/button-anstecker-afd-sympathisant/; „Wieder soweit? Dieselfahrer – Davidstern | Politaufkleber“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://politaufkleber.de/produkt/wieder-soweit-dieselfahrer-davidstern/; politaufkleber, „Sachse Judenstern – Autoaufkleber Sticker“, Politaufkleber (blog), zugegriffen 8. Dezember 2020, https://politaufkleber.de/produkt/sachse-judenstern-autoaufkleber-sticker/; „Button Anstecker – Sachse Judenstern | Politaufkleber“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://politaufkleber.de/produkt/button-anstecker-sachse-judenstern/.
  13. AfD Ortsverband Nürtingen, „Facebookbeitrag vom 16. November 2018“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/AfD.NT/posts/349174015891382.
  14. Christine Bilger, „Diesel-Anhänger provoziert in Stuttgart mit ‚Judenstern‘: Israelitische Religionsgemeinschaft ist empört“, stuttgarter-nachrichten.de, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.diesel-anhaenger-provoziert-mit-judenstern-israelische-religionsgemeinschaft-ist-empoert.b086c844-a78a-4306-93a5-2bf644e73202.html.
  15. Beatrix von Storch, „Facebookbeitrag vom 20. Juli 2018“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/BeatrixVonStorch/posts/2163899343651499.
  16. Monika Hübscher, „Likes for Antisemitism: The Alternative Für Deutschland and Its Posts on Facebook“, Journal of Contemporary Antisemitism 3, Nr. 3.1 (12. Juni 2020): 22, https://doi.org/10.26613/jca/3.1.41.
  17. von Storch, „Facebookbeitrag vom 20. Juli 2018“.
  18. Stephan Brandner, „Facebookbeitrag vom 2. Juni 2020“, zugegriffen 24. Oktober 2020, https://www.facebook.com/stBrandner/posts/2733032720251247.
  19. Björn Höcke, „Facebookbeitrag vom 2. Juni 2020“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://www.facebook.com/Bjoern.Hoecke.AfD/photos/a.1424703574437591/2652556851652251.
  20. Kommentar zu von Storch, „Facebookbeitrag vom 20. Juli 2018“.
  21. „Programm für Deutschland. Wahlprogramm der Alternative für Deutschland für die Wahl zum Deutschen Bundestag am 24. September 2017“, 64, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://cdn.afd.tools/wp-content/uploads/sites/111/2017/08/AfD_Wahlprogramm_2017_A5-hoch.pdf.
  22. Christian Schneider, „Besichtigung eines ideologisierten Affekts: Trauer als zentrale Metapher deutscher Erinnerungspolitik.“, in Gefühlte Opfer : Illusionen der Vergangensheitsbewältigung (Stuttgart: Klett-Cotta, 2010), 124, http://d-nb.info/1001889169/04; Christian Schneider, „Omnipotente Opfer. Die Geburt der Gewalt aus dem Geist des WIderstands“, in Die RAF und der linke Terrorismus, hg. von Wolfgang Kraushaar, 1. Aufl (Hamburg: Hamburger Edition, 2006), 1328–29, insb. 1332.
  23. Timo Stein, Zwischen Antisemitismus und Israelkritik : Antizionismus in der deutschen Linken, 1. Aufl., VS College (Wiesbaden: VS-Verl. für Sozialwiss., 2011), 45–49.
  24. Rudi Dutschke, „Vom Antisemitismus zum Antikommunismus“, in Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition, 156.-170. Tsd., Rororo ; 1043 (Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 1968), 68.
  25. Ekkehart Krippendorf, „Zum Verhältnis zwischen Inhalt und Form von Demonstrationstechniken“, in Die Linke antwortet Jürgen Habermas, Sammlung res novae (Frankfurt a. M.: Europ. Verl.-Anst., 1968), 169.
  26. Heidrun Kämper, „Der Faschismus-Diskurs 1967/68. Semantik und Funktion“, in 1968: eine sprachwissenschaftliche Zwischenbilanz, hg. von Heidrun Kämper, Joachim Scharloth, und Martin Wengeler, Sprache und Wissen 6 (Berlin ; Boston: De Gruyter, 2012), 281.
  27. Gerhard Kade, „Langhaarige Ersatzjuden“, Die Darmstädter Studentenzeitung, Nr. 93 (1968): 3.
  28. Heidrun Kämper, Aspekte des Demokratiediskurses der späten 1960er Jahre: Konstellationen – Kontexte – Konzepte, Studia linguistica Germanica 107 (Berlin ; Boston: W. de Gruyter, 2012), 98–104.
  29. Dorothea Hauser, „Deutschland, Italien, Japan. Die ehemaligen Achsenmächte und der Terrorismus der 1970er Jahre“, in Die RAF und der linke Terrorismus, hg. von Wolfgang Kraushaar, 1. Aufl (Hamburg: Hamburger Edition, 2006), 1275–78.
  30. Mathias Wörsching, Faschismustheorien: Ihre Geschichte, ihre Aktualität (Stuttgart: Schmetterling, 2016), 26f.
  31. Rote-Armee-Fraktion, „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa“, in Rote-Armee-Fraktion: Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, hg. von Martin Hoffmann und Rote-Armee-Fraktion, 1. Aufl (Berlin: ID-Verl, 1997), 104.
  32. Rote-Armee-Fraktion, 50f. An anderer Stelle findet sich eine ähnliche Reihung: „Auschwitz, Vietnam und Abstumpfung der Massen hier.“ Auschwitz nimmt dabei als prototypisches faschistisches Verbrechen zwar die erste Stelle ein, steht aber klar in einem analogisierenden Zusammenhang, der von der industriellen Massenvernichtung bis zur „Abstumpfung der Massen“ reicht. Rote-Armee-Fraktion, „Die Aktion des Schwarzen September in München“, in Rote-Armee-Fraktion: Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, hg. von Martin Hoffmann und Rote-Armee-Fraktion, 1. Aufl (Berlin: ID-Verl, 1997), 152.
  33. Rote-Armee-Fraktion, „Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa“, 106. Vor Gericht äußerte sich Meinhof wie folgt: „Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vor sich ging – können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren.“ Peter Jochen Winter, „Ulrike Meinhof lässt sich nur die Stichworte geben“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Dezember 1972; Zit. nach Wolfgang Kraushaar, Die blinden Flecken der RAF (Stuttgart: Klett-Cotta, 2017), 245.
  34. Rote-Armee-Fraktion, „Die Aktion des Schwarzen September in München“, 167.
  35. Rote-Armee-Fraktion, 173.
  36. Rote-Armee-Fraktion, „Hungerstreikerklärung vom 8. Mai 1973“, in Rote-Armee-Fraktion: Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, hg. von Martin Hoffmann und Rote-Armee-Fraktion, 1. Aufl (Berlin: ID-Verl, 1997), 189.
  37. “Es kann heute keinen Zweifel mehr daran geben, dass die Diskussion um die Haftbedingungen der RAF von ihren Mitgliedern im Gefängnis genutzt wurde, um eine Fortführung des bewaffneten Kampfes zu ermöglichen. Die Behauptung, politische Häftlinge würden in den Gefängnissen der Bundesrepublik gefoltert, war die Erweiterung der Behauptung, in der Bundesrepublik herrsche tendenziell Faschismus […]. Gudrun Enslin, Andreas Baader und ihre Kampfgenossen setzten sich über Jahre hinweg als Folteropfer eines angeblich existierenden neuen Faschismus in Szene.” Martin Jander, „Isolation. Zu den Haftbedingungen der RAF-Gefangenen“, in Die RAF und der linke Terrorismus, hg. von Wolfgang Kraushaar, 1. Aufl (Hamburg: Hamburger Edition, 2006), 974. Für die in der dritten Generation der RAF aktive Birgit Hogefeld wurde das Bild des im Hungerstreik verstorbenen Holger Meins zum Erweckungserlebnis gerade weil es sie an die Opfer der Konzentrationslager erinnerte. Gerd Koenen, „Camera Silens. Das Phantasma der ‚Vernichtungshaft‘“, in Die RAF und der linke Terrorismus, hg. von Wolfgang Kraushaar, 1. Aufl (Hamburg: Hamburger Edition, 2006), 996.
  38. Vergl. Daniel Levy und Natan Sznaider, Erinnerung im globalen Zeitalter: der Holocaust, 1. Aufl, Edition zweite Moderne (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2001).
  39. „Was ist: Dangerous Speech / Gefährliche Sprache – Vernunftpraxis“, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://vernunftpraxis.de/was-ist-dangerous-speech-gefaehrliche-sprache/. Siehe auch Dangerous Speech Project, zugegriffen 8. Dezember 2020, https://dangerousspeech.org/.
  40. „Dangerous Speech: A Practical Guide“, Dangerous Speech Project, 4. August 2020, https://dangerousspeech.org/guide/.
  41. Diese Dynamik zwischen zwei Formen von Bedrohungsnarrativen – einem abstrakten, auf die Vernichtung der Gemeinschaft und Identität gerichteten Vernichtungsmythos einerseits und einer konkreten, auf Leib und Leben der individuellen Person abzielenden, durch die Repetition und Skandalisierung von Gewaltereignissen erzeugten Unsicherheit andererseits – untersuchten Holger Marcks und Janina Pawelz anhand der Mobilisierung gegen den sog. Migrationspakt sowie nach dem Mord an einer jungen Frau in Kandel. In beiden Fällen zeigt sich, dass das abstrakte Vernichtungsszenario – verschlagwortet als „Überfremdung“, „Volkstod“, „Landnahme“ usw. – durch sekundäre Narrative – „Ausländergewalt“, „Messermigration“, Bedrohung „unserer“ Frauen und Kinder – gestützt, plausibilisiert und emotional anschlussfähig werden. Holger Marcks und Janina Pawelz, „From Myths of Victimhood to Fantasies of Violence: How Far-Right Narratives of Imperilment Work“, Terrorism and Political Violence, 24. Juli 2020, 1–18, https://doi.org/10.1080/09546553.2020.1788544.